Internationale Tagung läutet Endphase des Projektes LIFE BOVAR ein

Artenschutzmaßnahmen für stark gefährdete Amphibien zeigen Wirkung 

 

Hannover/Obernkirchen – Amphibien und insbesondere Arten dynamischer Lebensräume haben in den letzten Jahrzehnten dramatische Bestandsrückgänge erfahren. Aus diesem Grund wurde 2018 das länderübergreifende EU-LIFE-Projekt „BOVAR“ mit achtjähriger Laufzeit gestartet, in dem sich der NABU Niedersachsen zusammen mit sieben Projektpartnern und zahlreichen Kooperationspartnern dem Management folgender Amphibienarten widmet, stellvertretend für eine Vielzahl weiterer Arten dynamischer Lebensräume: Gelbbauchunke (Bombina variegata), Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans), Kreuzkröte (Epidalea calamita) und Kammmolch (Triturus cristatus). Die übergeordneten Ziele sind die Wiederherstellung günstiger Lebensraumbedingungen, die Stärkung des Biotopverbundes und gezielte Wiederansiedlungen, um isolierte Populationen zu vernetzen und ursprüngliche Verbreitungsgebiete wiederherzustellen.

Fotos: Sandra Diersche-Schwamm

 

Für insgesamt 35 Projektgebiete in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und der niederländischen Provinz Limburg konnten umfangreiche Renaturierungs- und Erhaltungsmaßnahmen zur Verbesserung der Lebensraumbedingungen erfolgreich umgesetzt werden. Unter Einsatz von Baggern und Radladern wurden Oberböden abgeschoben, aufgewachsene Gehölze entfernt und Steinschüttungen oder Anhäufungen von Totholz angelegt, um sonnenexponierte Rohbodenflächen mit hoher Strukturvielfalt und Versteckmöglichkeiten zu schaffen. Vegetationsarmes Offenland ist besonders wichtig für den Verbleib der Zielarten, welches nachhaltig durch extensive Beweidung der Lebensräume gewährleistet werden kann. In Kooperation mit regionalen Landwirten und Weidetierhalter*innen war es möglich dieses Ziel auf insgesamt 119 ha umzusetzen. Darüber hinaus wurden über 10.000 Kleinstgewässer und 600 Kleingewässer als Laichhabitate neu angelegt oder saniert. Mit technogenen Gewässern entstanden „Backups“ als Anpassung an den Klimawandel, in denen sich die Zielarten auch in langanhaltenden Trockenperioden noch erfolgreich reproduzierten. Nach Abschluss vorbereitender Maßnahmen wurden Bestandsstützungen und die Wiederbegründung ausgestorbener Populationen in insgesamt 23 Projekt(teil)gebieten durchgeführt. Dabei wurden über 23.000 Gelbbauchunken, 3.500 Kreuzkröten und 2.000 Geburtshelferkröten ausgebracht, welche jeweils aus einer im Projekt eingebetteten Erhaltungszucht, mit Tieren aus genetisch geeigneten, regionalen Spenderpopulationen stammten.

 

Zur Endphase des Projektes LIFE BOVAR wurden am 11. September die Ergebnisse im Rahmen der Fachtagung „Management von Amphibien dynamischer Lebensräume“ vorgestellt. Neben den Projektmitarbeitenden berichteten auch internationale Referent*innen über verschiedene Managementverfahren und neue Erkenntnisse zu den Zielarten. Am darauffolgenden Tag führte eine Exkursion die Tagungsteilnehmenden zu verschiedenen Projektgebietsflächen auf dem Bückeberg, welcher mit Steinbrüchen und wertvollen Trittsteinbiotopen in Waldbereichen Lebensraum für die bedeutendste Metapopulation der vom Aussterben bedrohten Gelbbauchunke, an ihrem nördlichsten Verbreitungsschwerpunkt in Niedersachsen, bildet. In Zusammenarbeit mit den Kreis- und Klosterforsten wurden regelmäßig Artenschutzmaßnahmen durchgeführt, welche auch nach Ablauf des Projektes zukünftig Anwendung finden werden. Anschließend wurde das Naturschutzgebiet Holzhauser Mark bei Porta Westfalica besucht. Die ehemalige Sand-Kiesgrube bildet einen wichtigen Rückzugsort für viele verschiedene Arten, wie beispielsweise Kreuzkröte und Zauneidechse. Die Gelbbauchunke wurde 2017 in dem Gebiet wiederangesiedelt und konnte sich über die Jahre zu einer stabilen Population entwickeln. Eine extensive Beweidung mit Pferden ist seit 2021 über das Projekt installiert worden und erhält seitdem neben regelmäßigen Pflegemaßnahmen die Schutzwürdigkeit dieses Gebiets.

Foto: Sandra Diersche-Schwamm

Als finale Bilanz können die Projektmitwirkenden sehr zufrieden mit den Ergebnissen und Erfolgen während der Projektlaufzeit sein. Prof. Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen freut sich über den gelungen Projektverlauf und betont die Bedeutsamkeit solcher Artenschutzprojekte: „Ein besonderer Aspekt des großen Projekterfolgs ist neben den EU-LIFE-Fördermitteln auch die langfristige Laufzeit von acht Jahren, welche beide erst eine Umsetzung von mehrjährigen Renaturierungsmaßnahmen und einen Beitrag zum ursprünglichen Verbreitungsgebiet durch Wiederansiedlungen ermöglichen.“ Buschmann erklärt weiter: „Durch die umfangreichen Habiatmaßnahmen für die Zielarten und die daraus resultierenden Synergie-Effekte für weitere seltene Arten strukturreicher Offenlandschaften, hat das Projekt einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt der biologischen Vielfalt geleistet“. Projektleiterin Dr. Mirjam Nadjafzadeh stellt heraus, dass die engagierte Zusammenarbeit des Projektteams mit allen beteiligten Akteuren ein Schlüssel für das Erreichte ist: „Mit vereinten Kräften haben wir wichtige Erkenntnisse über das effektive Management, deutlich verbesserte Lebensbedingungen und erhebliche Zunahmen in den Populationsgrößen der Zielarten ermöglichen können.“ Gleichzeitig weist Nadjafzadeh darauf hin, dass die Artenschutzarbeit in den Projektgebieten nun nicht getan ist: „Diese geschaffenen günstigen Situationen können nur erhalten werden, wenn ein langfristig angelegtes After-LIFE Management erfolgt und die Gebiete weiterhin mit regelmäßigen Artenschutzmaßnahmen die Prozesse von dynamischen Lebensräumen in den Sekundarhabitaten widerspiegeln.“